„Zukunftswerkstatt mit KI“, „Kreativität mit KI“, „Blablabla mit KI“, „KI“ überall: „künstliche Intelligenz“ ist schon jetzt der dümmste und nervigste Trend seit langem! Facebook und Google haben damals auch Kunden mit kostenlosen Angeboten geködert, aber bei Social Media waren noch mehr echte Menschen im Spiel. Ich habe wirklich schon viel Geschäftemacherei mit naiven Hoffnungen erlebt, aber KI finde ich bisher am schlimmsten. Vor allem erschreckt mich das Ausmaß der blinden Begeisterung für eine fragwürdige Technologie.

Unbezahlte Arbeit und eklatante Energieverschwendung

Anders als bei Atomkraft und Gentechnik bleibt die Kritik an KI noch leise, während sich viele vermeintlich alternative, umweltfreundliche und am Gemeinwohl orientierte Startups und Solo-Selbstständige von der allgemeinen KI-Begeisterung anstecken lassen und nach dem Motto „der Strom kommt doch sowieso aus der Steckdose“ gleich ganz ihr Gehirn ausschalten. Dabei ist künstliche Intelligenz weder sozial noch ökologisch nachhaltig.

KI steht auch für prekäre Arbeit und eklatante Energieverschwendung. Wenn wir regelmäßig ChatGPT und ähnliche Dienste verwenden, brauchen wir uns um Suchmaschinen, Videos und Serien-Streaming keine Gedanken mehr zu machen. Müllvermeidung und Bio-Produkte können wir dann auch vergessen.

Laut einer Studie von 2022 verbrauchte eine Frage an ChatGPT etwa 10 mal mehr Energie als eine Google-Suche. „Für das Training eines KI-Modells liefen Prozessoren hunderter Grafikkarten, die jeweils etwa 1000 Watt verbrauchten, für mehrere Wochen. 1000 Watt ist so viel wie ein Backofen,“ zitierte Greentech.live Amazons KI-Experten Ralf Hebrich.

Atomkraftwerke für Microsoft-KI

„Microsoft hat eine 20-jährige Abnahmeverpflichtung für Strom aus einem derzeit stillgelegten Kernreaktor unterzeichnet. Der Strom wird für KI benötigt,“ wie Golem kürzlich berichtete.

Cartton eines Hunden inmitten eines Feuers als Variationen des This-is-fine-Memes

Schon das Geschäftsmodell sogenannter sozialer Netzwerke wie TikTok und Instagram setzte auf die unbezahlte Arbeit der Kreativbranche und Hobby-Content-Creators, die wiederum ungefragt als Futter jener KI-Systeme verwendet wurde, die nun die Arbeitsplätze kreativer Juniors und Praktikant:innen überflüssig machen. Aber die Selbstausbeutung der Kreativen ist erst die Spitze des Eisbergs: Arbeiter:innen in Kenia sollten teils traumatisierende Texte lesen, um ChatGPT zu optimieren,“ berichtete Daniel Leisegang von netzpolitik.org e.V. im Artikel Prekäre Klickarbeit hinter den Kulissen von ChatGPT

Gehirn nicht ausschalten!

Schlimmer als Taschenrechner, Smartphone und „social“ Media gefährdet auch die künstliche „Intelligenz“ unser eigenes Denken und Zusammenleben. „Frag doch einfach ChatGPT“ ist ein Aufruf zur freiwilligen Entmündigung und zur Aufgabe des kritischen Denkens. Auch Suchmaschinen liefern falsche, veraltete, oder schwer verständliche Ergebnisse. Auch Expertinnen können irren oder von Werbepartnern gekauft sein. Aber einer Technologie, die man nicht versteht, die bekanntermaßen alternative Fakten erfindet, und die von einer kommerziellen Firma im Ausland großzügigerweise gratis zur Verfügung gestellt wird, zu vertrauen, ist noch verkehrter, als kritiklos Facebook und die BILD-Zeitung zu konsumieren.

In mehrfacher Hinsicht unzuverlässig

KI ist nicht nur inhaltlich unzuverlässig. Es gibt auch keine Garantie, dass sie nächstes Jahr noch auf die gleiche Weise oder überhaupt zur Verfügung stehen, oder nur zu einem hohen Preis. Der Verkauf von Twitter an Elon Musk und der Abstieg zum zweifelhaften Hassrede- und Desinformations-Netzwerk X innerhalb weniger Jahre sollte anschaulich vor Augen führen, wie wenig man einem Online-Dienst vertrauen sollte, für den man noch nicht mal bezahlt.

Twitter: die unterschätzte Warnung

„Nach der Übernahme durch Elon Musk hat ein Fünftel der Nutzer in Deutschland den Kurznachrichtendienst verlassen, ein Drittel nutzt ihn weniger,“ zudem haben die Beschwerden über Hassrede und Fake News zugenommen, fasste die die Süddeutsche Zeitung eine Bitkom-Studie zusammen.

Erfundene „Fakten“, Verbote und Unterlassungsklagen

Von ChatGPT erfundene Quellenangaben sorgten schon für peinliche Situationen vor Gericht, zutreffende Fakten sorgten umgekehrt schon für Unterlassungsklagen gegen Microsoft und OpenAI durch die New York Times, die den Diebstahl ihrer aufwändig recherchierten Artikel nachweisen konnten. Renommierte Fachforen wie StackOverflow haben die Verwendung von ChatGPT inzwischen verboten, um die Qualität ihrer Inhalte nicht zu gefährden.

KI, Kreativität und Kunst

Spannender als in der Wissenschaft, Web-Entwicklung oder der Werbebranche, deren Einfluss auf den Standard-Schreibstil von ChatGPT immer noch unverkennbar ist, kann KI auch Künstlerinnen und Künstler neue Werkzeuge an die Hand geben, die naiv genutzt auch nur auf den ersten Blick faszinieren. Hier als einfaches Beispiel die interaktive Installation „Tübingen AI Center“ letztes Jahr im Tübinger Stadtmuseum: eine Kamera filmt das Geschehen und gibt eine Variation des gesehen in wechselnden surrealistischen Stilen wieder.

Tübingen AI Center: internaktive KI-Kunst im Stadtmuseum

Ich dachte, als ich vor etwa zwei Jahren über generative KI schrieb, damals mit dem Schwerpunkt bildgebender Verfahren, dass der KI-Hype bald vorbei sein würde. Aber da fing er gerade erst an. Ich werde diesen Artikel, den ich gerade vollständig von Hand getippt und ohne fremde Hilfe formuliert habe, um Links und Quellen ergänzen, und dann tatsächlich mithilfe künstlicher Intelligenz übersetzen.

Fortschritt, Irrweg oder bloß ein weiteres Werkzeug?

Ich gebe zu: auch ich nutze KI und verschwende Energie für Dinge, die ich auch analog mit Stift und Papier erledigen könnte. Ich habe seit Jahren kein gedrucktes zweisprachiges Lexikon mehr aufgeschlagen, und ohne deepL und Grammarly wäre mein Englisch wohl weniger eloquent. Auch beim Programmieren nutze ich Vervollständigungsvorschläge, aber ich lasse mir keine ganzen Code-Blöcke generieren. Aber wenn ich tatsächlich mal ChatGPT befrage, dann bin ich meist schon so weit mit meiner sonstigen Recherche, dass ich bisher noch kein einziges mal einen hilfreichen Hinweis von dem dämlichen Chatbot bekommen hätte.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen Fortschritt, ganz im Gegenteil! Aber ich hasse Volksverdummung und ich halte einige Aspekte des aktuellen KI-Trends für gefährliche Rückschritte. Lasst uns KI kritisieren, aber nicht aus den falschen Gründen. KI wird uns nicht alle arbeitslos machen, ebensowenig wie Fotografie die Malerei oder gar die ganze Kunst beseitigt hätte, weil man ja nur noch auf den Auslöser drücken muss, oder Taschenrechner die Mathematik überflüssig gemacht hätten.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen Fortschritt, ganz im Gegenteil! Ich bin in Krankenhäusern und Arztpraxen operiert worden, trage Brille und Hörgerät, benutze Computer und fahre mit elektrischen Schnellzügen, von denen es gerne mehr geben dürfte. Ich wünschte, wir hätten eine ökologische Verkehrswende, soziale Gerechtigkeit und schnelles und zuverlässiges Internet. Ich wünschte, die Gesellschaft hätte in den letzten Jahrzehnten andere Prioritäten gesetzt.

KI ist das neue „Nachhaltig“

„Nachhaltigkeit“ ist oft alles andere als nachhaltig, sondern vor allem Greenwashing, also eine irreführende Werbebotschaft. „Künstliche Intelligenz“ ist oft alles andere als intelligent, sondern vor allem – ihr ahnt es schon – eine irreführende Werbebotschaft.

„KI“ ist das neue „nachhaltig“: eine beschönigende Botschaft, die irgendwann niemand mehr hören will, weil sie völlig nichtssagend und vor allem ein Zeichen für Ideenlosigkeit und Dummheit geworden ist.

Nutzt digitale Tools, aber hinterfragt sie, macht euch nicht davon abhängig, und hört auf, auf jedes neue Produkt „KI“ zu schreiben!