Ungesehen, aber empfehlenswert
Manche Filme erwähne ich, obwohl ich sie verpasst habe oder weil sich alle einig waren, dass es sehenswerte Filme sind, wenn auch vielleicht nicht für jeden einzelnen Menschen, zumal wenn jemand sensibel ist und schon unter schlechten Nachrichten leidet. Zu diesen wirklich wichtigen Filmen gehören Green Border, The Zone of Interest und Io Capitano.
Saiorse Ronans Film über Barbie wurde gefeiert und kontrovers diskutiert: Feminismus? Pinkwashing? Geschicktes Marketing für eine ohnehin schon viel zu erfolgreiche Spielzeugpuppe? Macht euch selbst ein Bild, denn ich habe den Film (noch) nicht gesehen, obwohl er mir mehrfach empfohlen wurde.
Auch Oppenheimer habe ich nicht gesehen, womit wir beim Thema Biopics wären. Biopics zeigen oft eine verfälschte oder vereinfachte Version von Menschen, was grundsätzlich nicht verkehrt sein muss. Biographien von Künstler:innen, Musiker:innen und Modeschöpfer:innen können dennoch schön und unterhaltsam sein und dazu inspirieren, sich mit der Person und ihrem Lebenswerk zu beschäftigen.
Filme von, mit und über Musik(er:innen)
Von Back to Black, Bob Marley: One Love und Priscilla habe ich (bisher) nur die Trailer gesehen. Marisa Abela, die Amy Winehouse spielt, wurde auch als Sängerin sehr gelobt, während sich der Film über Priscilla Presley unbeabsichtigterweise dadurch auszeichnet, dass darin kein einziger Song von Elvis zu hören ist. Bob Marley ist immer noch ein wichtiger und bekannter Musiker, aber vielleicht war es an der Zeit, ihn einer neuen Publikumsgeneration näherzubringen.
Einen anderen ungewöhnlichen Film konnte ich bisher noch nicht sehen, obwohl er schon 2023 erschien: Omen (Augure) von Baloji, einem belgischen Musiker, der für Story, Bild und Ton verantwortlich war. Baloji habe ich vor einigen Jahren live beim Open Source Festival gehört und gesehen und war begeistert von Tracks wie „L’hiver indien“ und „Soleil de Volt“ (ein Hip-Hop-Cover des Songs Dooyo der Dur-Dur Band). Sein Film verspricht eine multikulturelle Reise. Kulturellen und musikalischen Crossover dieser Art sollte es öfter geben!
Der Junge, dem die Welt gehört erzählt von einsamer Suche nach Inspiration, Poesie, Freiheit und Liebe und ist vielleicht der rätselhafteste und mehrdeutigste Filme der letzten Zeit. Geschrieben und gedreht von Robert Gwisdek alias Käptn Peng mit dem Musiker Julian Vincenzo Faber in einer traumartigen Umgebung die ästhetische in schwarzweiß beleuchtet wird. Mehrsprachige Dialoge, Klaviermusik und die Geräusche der Natur, einer alten Villa und Vögeln, die zu den vielen Zufällen zählen, die in diesem ungewöhnlichen Independent-Film verewigt wurden.
Als Rickerl steht ein anderer Musiker vor der Kamera: David Öllerer, der allgemein als Voodoo Jürgens bekannt ist. Der Feelgood-Film, dessen Story nicht viele Fragen offen lässt, feiert eine Welt verrauchter Kneipen und Demotapes in Wiener Dialekt, der oft nur dank der Untertitel verständlich ist beruht teilweise auf wahren Begebenheiten verschiedener Personen und dem eigenen Leben des Hauptdarstellers.
Magischer (Sur)realismus: Poor Things, La Chimera
La Chimera von Alice Rohrwacher ist fiktiv, aber von vielen echten Erinnerungen inspiriert und zitiert teilweise den so genannten magischen Realismus der großen italienischen Filmemacher vergangener Jahrzehnte. Die schräge Geschichte spielt in den 1980er Jahren in der sommerlichen Provinz Italiens, wo sich verschiedene Menschen auf ihre Weise durchs Leben schlagen. Nicht nur Isabella Rossellini als ehemalige Opersängerin in einer verfallenden Villa, sondern auch alle anderen Rollen sind großartig besetzt. Wie der schwarzweiße und ernsthaftere Film Morgen ist auch noch ein Tag (C’è ancora domani) war La Chimera ein unerwarteter Publikumserfolg.
Vielleicht magisch, aber alles andere als realistisch ist Poor Things mit Emma Stone vielleicht jetzt schon einer der ungewöhnlichsten und meistbeachteten Filme von 2024. Als feministische Verfilmung einer Romanvorlage, die die Ästhetik und Thematik von Frankenstein mit modernen Elementen verbindet, schwarzweiß beginnt und später quietschbunt wird und in jeder Hinsicht Grenzen überschreitet.
Einsame Fremde
„Überschreiten Sie nicht den Rubikon,“ erklingt eine vergebliche Warnung in The Holdovers, einem Film, der mit seinem winterlichen Setting und weihnachtlicher Einsamkeit eigentlich zu spät in die deutschen Kinos kam und daher auch erst jetzt in meinen Filmtips auftaucht. Ähnlich nostalgisch wie Sissi & ich spielt der Film nicht nur in der Vergangenheit, sondern bedient sich auch der filmischen Ästhetik vergangener Zeiten und erzählt sehr langsam eine Story von verkannten Charakteren, die das Schicksal zusammenbringt. Die Story mag klischeehaft amerikanisch daherkommen, sorgt aber für manche rührenden und viele sehr lustige Momente und ist auch im Frühling oder im Sommer sehenswert.
Ebenfalls mit schönen Reminiszenzen der 1980er Jahre erzählt All of us Strangers von Einsamkeit, der Liebe zwischen Männern und in der Familie. Was wäre wenn? fragt sich ein Schriftsteller, der durch die Arbeit an einem autobiographischen Roman droht sich in seinen Erinnerungen zu verstricken. Sein einziger Nachbar im großen Hochhaus, gespielt von Paul Mescal, scheint in Situationen zugegen, die nicht so stattgefunden haben können, wie wir sie sehen.
Zu guter Letzt möchte ich schließlich noch einen Film erwähnen, der es wegen seiner vermeintlichen Langeweile beinahe nicht in meine Frühjahrsliste geschafft hätte, nämlich Perfect Days, ein Wim Wenders-Film der das einfache japanische Leben vielleicht ein wenig zu sehr feiert, und der tatsächlich ursprünglich ein Werbefilm für architektonisch ambitionierte öffentliche Toiletten in Tokyo werden sollte. Ein ruhiger Film, der ähnlich wie ein weiterer noch ungesehener, Evil does not exist zumindest für Fans japanischer Ästhetik ein Muss.