Disclaimer: dies ist keine Rechtsberatung und keine Steuerberatung! Alles sind lediglich Notizen persönlicher Erfahrungen, die ich selbst und Kolleg:innen Anfang der 2020er Jahre in Deutschland (u.a. Düsseldorf, Köln, Berlin) gemacht haben. Bitte recherchiert und lasst euch beraten, welche Regeln für euch tatsächlich gelten und wie ihr selbst am besten klar kommt!

Außerdem sind in der Linksammlung zwei (entsprechend gekennzeichnete) Affiliate-Links enthalten. Wer meinen Blog verfolgt, wird wissen, dass ich bei Affiliates sehr wählerisch bin und nur solche aufnehme, die mir weitgehend sinnvoll und akzeptabel erscheinen.

Warum überhaupt selbstständig und warum gerade in Deutschland?

Die englischsprachige Version des Artikels ist keine Übersetzung, sondern stärker auf Internationals ausgerichtet, da einige der hier verlinkten Seiten ohne deutscher Staatsbürgerschaft oder Sprachkenntnisse wenig hilfreich wären. Dort verweise ich auch auf die Links und Tipps Move to Europe: Compilations of resources to relocate to Europe with a tech job von Sooraj Chandran, der nicht nur für die Jobsuche in Deutschland gute Recherchearbeit geleistet hat. Trotz aller berechtigten Kritik an Deutschland sind gerade die großen Städte wie Berlin und Köln bunt und offen genug und bieten (ebenfalls im Gegensatz zur Provinz) eine funktionierende Infrastruktur um mit Laptop, Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln ohne eigenes Haus und Auto durchs Leben zu kommen. Die ambivalente Lage mit gleichzeitiger Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangeln bietet qualifizierten Fachkräften beispielsweise in der IT oder in der Pflege Chancen auf einen guten Job, oft auch ohne umfassende Deutschkenntnisse.

Vermeintlicher Fachkräftemangel als Mangel an guten Arbeitsplätzen?

So oder so stellt sich die Frage: möchte ich überhaupt selbstständig sein? Alternativen: Festanstellung bei einer Agentur, die dich an Kund:innen vermittelt (Arbeitnehmer:innenüberlassung), oder auch fest angestellt in Teilzeit mit ausdrücklicher Erlaubnis, nebenbei für andere Kund:innen tätig zu sein oder einfach mehr Zeit für Weiterbildung, Hobbyprojekte, Ehrenamt oder die eigene Familie zu haben.

Es gibt gute Arbeitgeber:innen beziehungsweise scheinen sich manche zumindest zu bemühen, solche zu sein oder zu werden. Und je nach Lebenslage sind manch Mittelmäßige Arbeitsplätze gut genug und genau das richtige.

Freelance, (Schein-)Selbstständigkeit und freie Berufe

Begriffliche Verwirrung mit Arbeits- und Steuerrecht: „Ich habe mich als Freelancer selbstständig gemacht“ ist üblich zu sagen, bedeutet aber keineswegs im rechtlichen Sinne Freiberufler:in zu sein. „Freie Berufe“ im rechtlichen Sinne sind die die sogenannten Katalogberufe wie Rechtsanwältin oder Steuerberaterin, aber auch künstlerische Tätigkeiten zählen dazu. Somit entsteht eine Grauzone für Designer:innen je nachdem wie sehr der künstlerische Aspekt überwiegt.

Alle anderen, vor allem auch (Web) Entwickler:innen mit technischem Schwerpunkt, sind im Zweifel keine Freiberufler:innen, sondern Gewerbe treibende und müssen ein Gewerbe, also einen Gewerbebetrieb anmelden. Steuerlich handelt es sich dann auch nicht um selbstständige Arbeit, sondern um Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, selbst wenn dieser nur aus einer Person besteht.

Ansonsten wird der Begriff „selbstständig“ leider von den Ämtern mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet, so dass ich auch mit meinem kleinen Gewerbebetrieb hier und da als selbstständig tätiger gelte.

Steuern und die Kommunikation mit den Finanzämtern

Melde ich einen Gewerbebetrieb an, bekomme ich eine Steuernummer. So sollte es zumindest sein. Falls das nicht passiert, sollte ich rechtzeitig proaktiv nachhaken, bevor kritische Fristen verstreichen! Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UStID) muss separat beantragt werden. Die kostet nichts und kann nicht schaden, macht außerdem einen professionellen Eindruck. Das Finanzamt gibt auch vor, ob ich möglicherweise vorab Umsatzsteuervoranmeldung und -vorauszahlung leisten muss. Wer deutsch spricht, ruft am besten an und lässt sich kostenlos beraten! Das kommt vermutlich auf die Stadt an, aber zumindest das Finanzamt Düsseldorf-Mitte war bisher sehr hilfsbereit und freundlich. Für Einkommensteuer und Gewerbesteuer gibt es Freibeträge, das heißt, wer nichts oder nicht viel verdient, zahlt auch keine oder nur wenig Steuern. Ebenso sind die Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung abhängig vom Einkommen.

In der Praxis kommt es nicht immer so harmonisch aus, da Beiträge und Vorauszahlungssoll aufgrund früherer Einahmen geschätzt werden. Wer unregelmäßig verdient, muss schlimmstenfalls genau dann viel Geld bezahlen, wenn gerade nicht viel davon da ist. Auch hier können Anrufe und Anträge helfen, beispielsweise bis Ende März beantragen, das Vorauszahlungssoll für das laufende Jahr zu verringern und glaubhaft begründen, warum keine entsprechend hohen Einnahmen erwartet werden.

Scheinselbstständigkeit ist wiederum die Sache der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung (DRV), die sich möglicherweise melden wird, festzustellen, ob eine Versicherungspflicht oder gar eine Scheinselbstständigkeit besteht. Beides kann teuer werden. Scheinselbstständigkeit als Freelancer:in in der IT sehr unwahrscheinlich, selbst bei sehr langer Projektlaufzeit. Es gibt entsprechende Präzedenzfälle und Statusfeststellungsverfahren, aber einfacher und unmissverständlicher ist die Angabe, im Laufe eines Geschäftsjahres mehr als eine:n Auftraggeber:in zu haben und auch von keinem davon unverhältnismäßig stark abhängig zu sein.

Davon ausgehend, nicht scheinselbstständig und somit auch nicht versicherungspflichtig zu sein, kann entweder die Befreiung oder aber eine freiwillige Versicherung beantragt werden. Wer zusätzlich einen so genannten Riester-Vertrag hat, ist möglicherweise als Ehepartner mittelbar begünstigt und könnte dort weiterhin den monatlichen Mindestbeitrag einzahlen.

So oder so lohnt es sich, langfristig zu sparen und Geld zurückzulegen bzw. zu investieren, um nicht nur für den Ruhestand, sondern auch für Krankheit und Urlaub finanziell vorgesorgt zu haben und nicht jeden Auftrag nur des Geldes wegen annehmen zu müssen.

Wohnsitz und Ort des Gewerbes

Wohnsitz, Wohnungsan-/ummeldung wann, wie, wo? nicht vorab. „innerhalb von 2 Wochen“ den Termin buchen genügt (in Berlin) und muss nicht im gleichen Bezirk sein. No German? Coworkers reported the officials to be very nice and helpful when you’re not speaking German (yet) and you’re new in the country, but beware still not speaking two years later. Herausforderung, als Nicht-EU-Bürger:in (expat from outside the European Union) ein Visum und Arbeitserlaubnis zu bekommen. Möglicherweise ist Deutschland als eines der strengsten und bürokratischsten Länder nicht gerade der einfachste Ort, um in Europa Fuß zu fassen? Umgekehrt wollen viele, die in einer deutschen Stadt aufgewachsen sind, hinaus in die weite Welt, träumen vom Leben im VW-Bus und fragen sich, ob ein fester Wohnsitz überhaupt nötig und wünschenswert ist. Hilfreiche Tipps aus eigener Erfahrung fand ich unter anderem bei Johanna und Marc in ihrem Blog „Vagabundenliebe“ (und ihren Büchern), beispielsweise zum Thema ortsunabhängige Gewerbeanmeldung: Gewerbeanmeldung ohne Wohnsitz und Betriebsstätte – nicht immer einfach. Link to English tips by Sooraj Chandran: sooraj.gumroad.com/l/move-to-europe-guide (ehemals/formerly known as movetoeurope.tech).

Jobs bekommen? Was hilft: im echten Leben vernetzen, online sichtbar sein (z.B. durch Open Source / ehrenamtliche bzw. persönliche Demo-Projekte), und sich auf Online-Plattformen präsentieren, u.a. LinkedIn, XING, Freelancermap, Freelance.de, als Techniker:in (Dev) auch auf GitHub und StackOverflow, über beide Kanäle haben ich selbst und andere schon Aufträge und Stellenangebote bekommen. Sichtbarkeit auch durch eine eigene Portfolio-Website und Blogartikel auf der eigenen Website und/oder auf externen Plattformen wie The Practical DEV (DEV.to) oder Medium.

Nachhaltigkeit, Greenwashing und Kompromisse

Die nachhaltige Szene mit Schwerpunkt auf ethische und ökologische Projekte und Startups, bislang eine Nische, aber durch gesellschaftlichen Wandel angesichts von Krieg, Klima- und anderen Krisen und der resultierenden Gesetzgebung (u.a. nachaltiges Lieferkettengesetz) auch wirtschaftlich stark im Kommen mit wachsenden Budgets auch durch staatliche Fördermittel. Hier gibt es eigene Business-Netzwerke, unter anderem (bislang nur auf deutsch) Reflecta.Network und Verzeichnisse wie gute-seiten.org.

Um als nachhaltige:r Webentwickler:in glaubhaft zu sein, sollte die eigene Website einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck haben (verifizierbar unter anderem über den WebsiteCarbon Calculator) und wer mit der eigenen Arbeit gutes Geld verdient, sollte mit gutem Beispiel voran gehen und es für gute Produkte investieren und an Open Source Software und ethische und ökologische Initiativen spenden. Außerdem gesellschaftlichen Nutzen (Impact) trägt es für mich auch zur Glaubwürdigkeit bei, wenn ich sehe, dass jemand GitHub Sponsor ist und diverse Online-Dienste wie Codepen usw. nicht nur in der kostenlosen Version nutzt.

Das Wort Nachhaltigkeit kann ich inzwischen selbst nicht mehr hören, zumal seine Bedeutung sich fast bis ins nichts sagende dehnen lässt. Perfekt also für Marketing und Greenwashing! Neben der heute meist gemeinten ökologischen Nachhaltigkeit sollte auch die wirtschaftliche nicht außer Acht gelassen werden. Nachhaltig wirtschaften bedeutet auch, genügend Geld zu verdienen, um es an anderer Stelle ausgeben zu können.

Arbeit ist fast immer mit Kompromissen verbunden, nicht nur als Angestellte:r, sondern auch in der Arbeit mit klassischen Agenturen. Wunschkund:innen finden sich eher über persönliche Netzwerke, und manche haben so geringes Budget, dass sie die üblichen Stundensätze nicht bezahlen können. Kompromiss: Mischkalkulation über Projektgrenzen hinweg, also bei den einen auf- und bei den anderen abrunden, wenn ich Rechnungen schreibe. Werbung, Weiterbildung und (zumindest steuerlich betrachtet) nicht geldwerte Vorteile können ebenfalls gute Gründe sein, großzügige Rabatte zu gewähren. Auch Ehrenamt ist grundsätzlich gut, sofern wir es uns finanziell erlauben können.

Nachhaltigkeit sollte also pragmatisch betrachtet werden, um nicht an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.

Bei der Gelegenheit ein bisschen Werbung in eigener Sache: möchstest du deine WordPress-Website nachhaltig optimieren lassen, hast du generell Dienstleistungs- oder Beratungsbedarf bezüglich klimafreundlicher und barrierefreier Webentwicklung bzw. Optimierung? Brauchst du vielleicht einen nachhaltigen Shopware-Entwickler mit Frontend-Fokus? Oder bist du gar selbst eine(r)?

Langfristig kann es jedenfalls nicht schaden, an unterschiedlichen Stellen, online und im echten Leben Augen und Ohren offen zu halten.

Links zu Job- und Freelancer-Plattformen und Netzwerken

Zunächst mal hatte ich hier zwei gesponsorte Affiliate Links stehen, die mir bislang gar nichts gebracht haben. Alternative Affiliate-Anbieter werde ich bei Gelegenheit an anderer Stelle erwähnen. Viele Job-Plattformen und Communities, vor allem neue und spezialisierte, kommen und gehen, daher waren auch mehrere meiner unbezahlten Empfehlungen bereits veraltet, unter anderem Impactify. Hört euch um, fragt nach Empfehlungen oder gebt eure Interessen und Schwerpunkte in eine Suchmaschine ein, also beispielsweise „Jobsuche erneuerbare Energien“, „Stellenanzeigen soziale Berufe“, oder „IT Freelancer Projekte“.

Wovon ich dagegen eher abraten würde, sind allgemeine internationale Projektbörsen wie Upwork oder fiverr. Stundensätze, um nachhaltig gewinnbringend zu arbeiten, lassen sich dort nicht realisieren, zumindest dann nicht, wenn Steuern, Versicherungen und Lebenshaltungskosten in Deutschland oder einem anderen EU-Land zu bezahlen sind. Die internationale Konkurrenz unterbietet die Preise schon aufgrund der Wechselkurse. Der Wettbewerbsvorteil sei ihnen gegönnt, was die Arbeit angeht, möchte ich nicht mit ihnen tauschen. Aufgrund der schlechten Bewertungen aller Beteiligten scheinen es diese Plattformen irgendwie zu schaffen, Kundschaft und Dienstleister:innen gleichermaßen unzufrieden zu hinterlassen.